persönliche Stellungnahme zur remonstration gegen das verbot der brandnacht-Demo am 11.09.2025
In meiner Funktion als Stadtrat und Ordnungsdezernent der Stadt habe ich mich dazu entschieden, gegen das erwiesen rechtswidrige Verbot der für den 11. September 2025 angemeldeten Versammlung von Herrn Thomas Bernt zu remonstrieren. Diese Entscheidung habe ich mir nicht leicht gemacht, und ich bin mir der politischen wie gesellschaftlichen Sensibilität dieses Vorgangs bewusst. Umso wichtiger ist es mir, meine Haltung transparent zu machen und in der Sache einzuordnen.
Zunächst möchte ich klar sagen: Ich teile inhaltlich selbstverständlich nicht die Positionen, die auf dieser Versammlung vertreten werden sollten. Ich halte die politische Instrumentalisierung eines kollektiven Gedenkens für moralisch verwerflich und gesellschaftlich spaltend. Es gibt gute Gründe, eine solche Veranstaltung mit kritischer Distanz und Ablehnung zu betrachten. Und es ist legitim, dass viele Menschen diese Form des Auftretens als Provokation empfinden. Friedliche Demonstrationen dagegen sind daher auch ein in meinen Augen absolut ehrenwertes Engagement. Ich selbst bin im vergangenen Jahr als Organisator einer Großdemonstration ge-
gen Rechtsextremismus und für Demokratie und Rechtsstaat aufgetreten.
Gerade als politisch Verantwortliche und Vertreter der Verwaltung dürfen wir jedoch nicht willkürlich handeln. Unsere Entscheidungen müssen sich immer am geltenden Recht orientieren – nicht an subjektiven Einschätzungen oder moralischer Empörung. Es reicht nicht aus, dass eine Person oder Gruppierung „offensichtlich“ aus dem rechtsextremen Spektrum stammt oder von vielen als Provokation empfunden wird. Auch dann – und vielleicht gerade dann – müssen wir den rechtlich gebotenen Rahmen wahren. Wer Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit einschränken will, braucht dafür eine tragfähige rechtliche Grundlage. Ein Gefühl von Klarheit oder politischer Unannehmlichkeit ersetzt keine juristische Prüfung. Der Rechtsstaat misst mit gleichen Maßstäben – und nicht mit zweierlei Maßstäben.
Ich habe remonstriert, weil ich der festen Überzeugung bin, dass das Verbot dieser Versammlung nicht auf einer belastbaren rechtlichen Grundlage beruhte. Diese Einschätzung wird durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 9. September 2025 (Az. 3 L 3485/25.DA) ausdrücklich bestätigt. Das Gericht stellte klar, dass das Verbot unverhältnismäßig und offensichtlich rechtswidrig war und die Verbotsverfügung den rechtlichen Anforderungen nicht im Ansatz gerecht wurde.
Weiterhin weist das Gericht darauf hin, dass für „Opportunitätserwägungen“ seitens des Oberbürgermeisters bei der Entscheidung über Versammlungsverbote kein Raum besteht. Das bedeutet, politische oder gesellschaftliche Erwägungen dürfen niemals eine rechtliche Prüfung ersetzen. Die Verwaltung ist rechtlich und verfassungsgemäß an Recht und Gesetz gebunden – ein Grundsatz, den ich überzeugt teile und den auch die städtischen Ämter gegenüber dem
Oberbürgermeister klargestellt haben. Die Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz ist ein Grundsatz unserer Verfassung. Sie ist in Artikel 20 des Grundgesetzes niedergeschrieben und schützt vor staatlicher Willkür. Sie unterscheidet unseren Rechtsstaat von Unrechtsstaaten, die Teil der Deutschen Geschichte sind.
Die Entscheidung, das Verbot dennoch auszusprechen, erfolgte gegen eindeutigen fachlichen Rat der städtischen Ämter und von mir. Sie verletzt erwiesener maßen Grundrechte und damit das verfassungsmäßige Gleichgewicht, das unsere freiheitlich demokratische Grundordnung ausmacht.
Mein Amtseid verpflichtet mich, die Verfassung und die Gesetze zu achten. Diese Bindung endet nicht dort, wo meine politische Überzeugung beginnt. Wer im öffentlichen Amt steht, muss gerade dann für rechtsstaatliche Prinzipien eintreten, wenn es unbequem ist – und wenn man Gefahr läuft, missverstanden zu werden. Ich bin mir bewusst, dass es in der aktuellen politischen Lage leichter ist, durch entschlossenes Auftreten zu signalisieren: „Nicht mit uns.“ Aber der Staat darf sich nicht auf Symbolpolitik einlassen, wenn sie mit dem Rechtsstaat nicht vereinbar ist.
Ich betone ausdrücklich: Meine Remonstration bedeutet nicht, dass ich mich mit dem Inhalt der geplanten Versammlung solidarisiere. Im Gegenteil. Aber ich weigere mich, aus politischem Kalkül oder moralischem Druck heraus Grundrechte selektiv anzuwenden. Das würde unsere demokratische Substanz langfristig schwächen – und denen in die Hände spielen, die unsere Verfassung relativieren wollen.
Ich habe vor dem rechtswidrigen Eingreifen des Oberbürgermeisters entschieden, dass dem Anmelder der Versammlung rechtstaatlich begründete Auflagen erteilt werden. Diese Auflagen wurden vom Verwaltungsgericht in der Begründung seines Beschlusses als legitimes Mittel der Versammlungsbehörde betrachtet. So wurde ihm unter anderem untersagt Fackeln zu verwenden und einen Alarmton abzuspielen. Mit diesem Vorgehen habe ich versucht dem Recht auf Versammlungsfreiheit Rechnung zu tragen und gleichzeitig durch die Auflagen die öffentliche Ordnung und die Würde des Gedenktages zu wahren. Durch die rechtswidrige Verbotsverfü-gung von Oberbürgermeister Benz wurde meine Auflagenverfügung außer Kraft gesetzt.
Ich habe den Vorgang zur Prüfung an das Regierungspräsidium übergeben. Eine öffentliche Debatte zu diesem Schritt habe ich nicht gesucht. Daher habe ich auch keine Öffentlichkeit gesucht und äußere mich jetzt lediglich als Reaktion auf eine Veröffentlichung durch andere.
Mein Ziel war und ist es, intern für Rechtsklarheit zu sorgen und meine Verantwortung im Rahmen des geltenden Rechts wahrzunehmen. Für mich ist das der Ausdruck einer gefestigten demokratischen Haltung.